rückblick/auswahl

goldene zeiten / lucrez – renaissance

glas,blattgold,struktur 6-teilig je 203x43cm 2014

der himmel über der wüste

abu ali al-hasan / ibnal-hasanib / al-haitham alhazen
zeit,glas,farbe 220x150cm 2009

averroes/avicenna

zeit,glas,farbe je 220x150cm 2008

imagines perditae/franziskus-zyklus von assisi

büttenpapier,farbe je 70x50cm 2005

Erinnerungen sind eine Grundlage unserer Existenz. Der Franziskus-Zyklus von Assisi, von Giotto im 13. Jahrhundert geschaffen, ist in die Kunstgeschichte eingegangen. Er ist Teil individueller Erinnerungsspeicher, auch unseres kollektiven Gedächtnisses. Die Fresken wurden nach einem Erdbeben wieder sichtbar gemacht. Das sinnliche Erlebnis vor Ort war Anregung sich mit dem Verhältnis des Gegenstandes zum Vorgang der Wahrnehmung auseinander zusetzen. Die neuen Papierarbeiten unter dem Titel imagines perditae sind die bildnerische Umsetzung mit diesem Thema. Die Erkenntnisse der Hirnforschung zeigen, wie das Gehirn Informationen speichert und dass es diese bei Bedarf in unvorstellbar rasch aufeinander folgenden Zeitspannen abruft. Eine unvorstellbare Anzahl horizontaler Schichten erstellen in der Summe das ganze Bild. Was bewahren wir in unserem individuellen und kollektiven Gedächtnis? »Die Monotypien imagines perditaeeschäftigen sich mit der Wahrnehmung von Bildern und Phänomenen und verspricht Einsichten, welche die Oberfläche durchdringen.Wie nehmen wir die Welt wahr? Welche Bilder sind real? Was ist überhaupt Realität? Wir erfahren die Wirklichkeit – oder was wir dafür halten – heute durch viele Bilder, doch was sehen wir wirklich? Was bleibt sichtbar und im Gedächnis? Sind Bilder nicht nur Phänomene, die durch unsere Wahrnehmung entstehen? Karl Weibl greift in seinen Arbeiten diese Fragen auf und stellt unsere Sichtweisen zur Disposition. Beim Betrachter entsteht eine Kette aus Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung. Das offensichtlich Wahrnehmbare wird hinterfragt, relativiert und neu zusammengesetzt. Die weiß übermalten Bilder fordern unser Sehen und Denken heraus, laden dazu ein, weitere Dimensionen hinter dem Bild zu entdecken. Die Monotypien sind die künstlerische Umsetzung Geschaffenes ins Nichts zu bannen, um es in dieser Transformation erst recht bildhaft zu evozieren.

der sturm/william shakespeare

zeit,torf,farbe,leinwand 130x100cm 2004

die vier philosophen

zeit,torf,holz,glas je 255x70x5cm 2000

»Mit der Arbeit die vier Philosophen führt uns Karl Weibl zurück in die Zeit Roms um Christi Geburt. Dort lokalisiert er eine der Wurzeln unseres Denkens. Die Schriften von Lukrez, Seneca, Cicero und Mark Aurel, sowie ihr nachhaltiges Wirken auf unsere Zeit erscheint durch die dichte, überwältigende Präsenz der jeweils nahezu zwei Meter hohen Torfschichten als eindrückliche Metapher gewachsener Menschengeschichte. Karl Weibls Arbeiten sind nicht Abbildung, sondern Bild der Zeit. Das stille, auratisch-mythische Wirken der vier Torfstelen erinnert an Ewiges. 2000 Jahre Geschichte sind hier durch das Material Torf visualisiert. Karl Weibl schult unser Auge für ein ehrfürchtiges Bewußtsein von Zeit, indem er sie, auf eine eigentümlich archaische Weise sichtbar macht. Zeit scheint uns um so mehr zu entschlüpfen, je präziser wir sie messen. Das Rekurrieren auf die heutigen Möglichkeiten der Chronometrie wirkt sehr viel schnellebiger und endlicher, als die Arbeiten aus langsam, organisch gewachsenem Torf, die mit Vergänglichkeit spielen, sie sogar schöpferisch einsetzen. „Wen kannst du mir nennen, der irgendeinen Wert der Zeit beimißt, der den Tag würdigt, der sich bewußt wird, dass er täglich stirbt. Darin nämlich täuschen wir uns, dass wir den Tod vor uns sehen: ein großer Teil davon ist bereits vorüber; jeden Lebensabschnitt, der hinter uns liegt, hat der Tod in seiner Gewalt. “(1). Diese Warnung Senecas an Lucilius, die Zeit nicht zu nutzen, verrinnen zu lassen, erfährt, in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten Weibls, eine tiefe, bewegende Bedeutung. Die in sich ruhenden, auf den ersten Blick sogar statisch wirkenden Stelen, bergen doch in sich die unerbittliche Dynamik des Zeitprozesses: Altern, Fäulnis, Verwitterung ereilen den Torf, jene natürliche Materie, die uns, gleich einer Vanitas, die eigene Sterblichkeit erkennen läßt. So inkorporiert Weibls Werk das komplexe Wechselspiel von Ruhe und Bewegung, Ewigkeit und Verfall, Zeit und der Aufhebung von Zeitempfinden.«
Evelyn Pschak
(1)Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, Liber I,
Epistula I

der enki-tempel von ur

drei handgewebte tücher
zeit,torf,leinen, je 250x350cm 1994

»der enki-tempel von ur. 1991 fand Karl Weibl in einem Antiquariat den Grundriss eines Tempels von Ur, der Enki, dem babylonisch-sumerischen Gott des Süßwassers, der Weisheit und der Kultur geweiht war. Die ursprüngliche Schönheit dieser südbabylonischen Stadt, deren erste Blüte um 3000 v. Christus stattfand, wird in einem sumerischen Lied besungen: Karl Weibl ließ Ausschnitte aus dem Grundriss des Enki-Heiligtums in nahezu Originalgröße in schwarzem und weißem Leinen weben. Diese kartographischen Tücher beschwerte er mit Torfziegeln und setzte Torf und Tücher ein halbes Jahr der Witterung aus. Das Leinen verfärbte sich, zeigte Risse und Wellen. Wieder wurde aus dem Prozeß des Verfalls ein Akt der Gestaltung: das vermeintlich leblose Material hat sich während dieser kurzen Zeitspanne auf den Stoffen verewigt und eine eigene Landschaft und Topographie auf den Spuren einer fremden Kultur gebaut; - gleich einer späteren stratographischen Schicht wurde aus der Abzeichnung und Neunutzung eines alten Ortes gegenwärtiges Terrain.« E.P.

die vierzehn stationen

14 tafeln
zeit,torf,holz,glas,eisen,kreide je 170x130cm 1993

die zwölf apostel

12 handgewebte leinenbahnen 
zeit,torf,graphit,eisen je 500x60xcm 1990

»Inhaltlich und formal beschäftigt sich Karl Weibl mit christlichem und jüdischem Schriftgut, stellt Bezüge her und bringt durch die Überlagerung die zeitliche Dimension ins Spiel, eine Art Zeitbalken, der für die zweitausendjährige Geschichte des Christentums steht. Auf zwölf langen Leinenbahnen ist kalligraphisch die Apostelgeschichte geschrieben, der Teil des Neuen Testaments, der nach der Auferstehung des Herrn beginnt und mit der Missionierungstätigkeit der Apostel endet. Die Bahnen sind ähnlich den Thora-Rollen, mit denen die Juden die fünf Bücher Mose auch formal tradieren, mit Stäben an den Enden versehen, auf denen sie aufgerollt werden. Auf jede Leinwand ist ein Streifen Torferde von zwei Metern Länge dünn appliziert, die den Zeitfaktor von 2000 Jahren seit der Entstehung der Apostelgeschichte ausdrückt. Mit dieser Arbeit, die zwölf Apostel werden uns einerseits die Wurzeln des Christentums, also unserer abendländischen Kultur, vor Augen geführt, und andererseits wird uns optisch begreifbar gemacht, welch relativ junge Errungenschaft heute das Christentum ist.« Dr. Emanuel Braun, Eichstätt